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Einfluss des Erdmagnetfeldes auf Lebewesen

 

Das Magnetfeld der Erde

Das Phänomen des Magnetismus war bereits bei den alten Griechen bekannt. Sie entdeckten in Kleinasien Berge aus Magnetit, ein Eisenerz, und stellten fest, dass Magnetit Eisen ganz natürlich anzieht. In China wurde seit dem 11. Jahrhundert und in Europa seit dem 12. Jahrhundert eine schwimmende Kompassnadel, ein sogenannter nasser Kompass, eingesetzt. (Im Jahre 1600 veröffentlichte der englische Arzt und Naturphilosoph William Gilbert sein Werk De Magnete, in dem er erstmals erkannte, dass die Erde die Ursache für die Ausrichtung der Kompassnadel ist.) Anfänglich nahm man an, dass die Nadel überall exakt die Nord-Süd Richtung anzeigen würde. Tatsächlich weicht die Nadel um einen Winkel von der Nord-Süd Richtung ab, die als Deklination bezeichnet wird. Dies wird dadurch verursacht, dass die magnetischen Pole nicht genau mit den geographischen Polen übereinstimmen. Die Deklination ist in West-Europa nur gering und beträgt hier 1-2 Grad. Als die Wissenschaft des Magnetismus sich weiterentwickelte, kam man zur Schlussfolgerung, dass der magnetische Pol in der Nähe des geographischen Nordpols als magnetischer Südpol bezeichnet werden muss und umgekehrt.

Schon seit Gauß' (1777 – 1855) Zeiten ist die Messgenauigkeit für das Erdmagnetfeld sehr hoch. Die Standard (SI) Maßeinheit der magnetischen Feldstärke ist Tesla. Zur Beschreibung kleinerer Feldstärken wird häufig noch die ältere Einheit Gauss benutzt. 10.000 Gauss entsprechen einem Tesla. Das Erdmagnetfeld ist mit 0,7 Gauss an den Polen und 0,2 Gauss am Äquator sehr schwach. Daneben ist es sowohl kurz- als auch langzeitigen Schwankungen unterworfen.

Der Begriff Erdmagnetismus bezeichnet das magnetische Feld, das im unmittelbaren Bereich der Erde beobachtet werden kann. Das Feld streckt sich aber weit in den Raum hinaus. Dieser Raumbereich wird auch Magnetosphäre genannt. Die Magnetosphäre hat eine wichtige Funktion für das Leben auf Erden. Sie schirmt die Erdoberfläche größtenteils von den geladenen Teilchen des Sonnenwindes ab. Lediglich in den Polbereichen können sie in die Erdatmosphäre eintreten, wo sie die Polarlichter verursachen.

 

Die genauen Vorgänge sind noch weitgehend ungeklärt. Das Magnetfeld der Erde ist nicht konstant. Es unterliegt langzeitigen Veränderungen, wobei es sich durchschnittlich etwa alle 500.000 Jahre umkehrt, wie Forschungsdaten entsprechender Gesteinsschichten zu entnehmen ist [CANDE 1995, HUESTIS 1997]. Solche Umpolungen sind heute bis etwa 100 Millionen Jahre zurück dokumentiert. Die letzte Umpolung soll sich vor etwa 780.000 Jahren ereignet haben, die nächste ist, statistisch gesehen, längst überfällig. Da das Magnetfeld derzeit abnimmt, könnte innerhalb von einigen tausend Jahren tatsächlich eine Umpolung stattfinden. Der Polsprung, also die magnetische Feldumkehr, dauert erwartungsgemäß ebenfalls einige Tausend Jahre.

Während der Phase der Umpolung ist das Erdmagnetfeld sehr schwach und kann mehrere Nord- und Südpole aufweisen, die über die Erde verteilt sind. Dadurch kann eine größere Menge an elektrisch geladenen Teilchen des Sonnenwinds auf die Erdoberfläche gelangen und zu Störungen, bzw. Schädigungen biologischer Systeme führen. Dies korrespondiert mit der Beobachtung, dass in Sedimentschichten aus Zeitabschnitten, in denen Umpolungen stattgefunden haben, gehäuft ein Artenwechsel von Kleinorganismen festgestellt werden konnte. Vielleicht funktionieren sogar die Zunahme schädigender Strahlung und die damit einhergehende Zunahme von Mutationen als Schrittmacher und Antrieb der Evolution.

Experimente bei verringertem Magnetfeld

Wie wir oben gesehen haben, hat das Erdmagnetfeld trotz der geringen Stärke, eine große Bedeutung für das Leben. Es schützt die Erdoberfläche vor dem größten Teil der geladenen Teilchen, die von der Sonne in Richtung Erde geschickt werden. Manche Forscher meinen, dass das Erdmagnetfeld darüber hinaus noch weitere Bedeutungen für das Leben haben könnte. Eine dieser Bedeutungen wurde bereits im vorherigen Abschnitt erläutert. Die NMR, ESR und Zyklotronresonanzen brauchen ein Magnetfeld (siehe Abschnitt über Zyklotronresonanzen). Diese drei Wechselwirkungsarten natürlicher elektromagnetischer Strahlung mit Lebewesen, würden ohne Magnetfeld nicht existieren. Um herauszufinden, wie wichtig die Existenz des Erdmagnetfeldes für Organismen ist, haben Forscher Experimente in magnetisch abgeschirmten Bereichen durchgeführt.

Bei unterschiedlichen Experimenten an Pflanzen wurden folgende Differenzen zwischen Pflanzen im abgeschirmten Bereich im Vergleich zu den Pflanzen der Kontrollgruppe festgestellt [BELYAVSKAYA 2004]:

  • Reduzierte Zellteilung im Meristem (Pflanzengewebe aus undifferenzierten Zellen)
  • Verzögertes Sprießen der Wurzeln 
  • Veränderungen an Mitochondrien, sie nehmen im Volumen zu, aber ihre Cristae (die Einstülpungen der inneren Membran) werden geringer.
  • Übersättigung von Ca2+ im Zytoplasma und in Organellen.

Beobachtungen bei der Entwicklung von Rattenembryos im abgeschirmten Magnetfeld [SHIBIB 1987]:

  • Gestörte Myelinbildung bei den Axonen

Beobachtungen bei der Entwicklung von Salamanderlarven im abgeschirmten Magnetfeld [ASASHIMA 1991]:

  • Stark erhöhtes Auftreten einer großen Palette von Entwicklungsstörungen

Dies sind interessante Ergebnisse, die tatsächlich darauf hinweisen, dass ein Magnetfeld von der Größenordnung des Erdmagnetfeldes für den korrekten Ablauf von Lebensprozessen notwendig ist. Diese Forschungen wurden teilweise im Rahmen von Raumfahrtprogrammen durchgeführt, um in Erfahrung zu bringen, ob bei längeren Raumreisen ein Magnetfeld in den Raumkapseln erzeugt werden sollte.

Von mehreren Vogelsorten und auch anderen Tieren ist bekannt, dass sie sich mithilfe des Erdmagnetfeldes orientieren. Wenn das Erdmagnetfeld zukünftig weiter absinken und eine Umpolung vollziehen wird, wird diese Orientierungsmöglichkeit für längere Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen [FALKENBERG 2010].